Um 92 Zentimeter längere Nächte
Wieder quere ich den Polarkreis. Wieder ist er an der falschen Stelle markiert, in der Landschaft, in den Köpfen der Leute. Wieder Irreführung, wieder muss ich mich wundern. Doch die meisten verweilen nicht und so nivelliert sich alles wieder.
Diesmal beschäftigen mich andere Fragen. Es scheint mir völlig absurd, dass es in der Nacht dunkel werden kann. Mehr als 3 Wochen war ich nun nördlich dieses Kreises. Ich habe mich an Vieles gewöhnt. Wie ist es, wenn es in der Nacht dunkel wird? Wie ist Dunkelheit überhaupt? Eine bisher lebenslänglich-tägliche Erfahrung war mir nun wochenlang entzogen und ich kann sie nur mehr schwer nachvollziehen!
Ich selbst schon längst nicht mehr entlang der E75 unterwegs, denke viel an die Straße. Ein Teil der E75 bleibt freilich immer im Hellen. Bis 26. Juli. Ob die Griechen, die Mazedonier, die Serben, die Slowaken daran denken? Vielleicht die Polen? Ich glaube es nicht. Die meisten wissen ja gar nicht, an was für einer Strasse sie da leben. Müssten Europastrassen Teil der Allgemeinbildung werden, bei den Pisa Tests abgefragt werden? Was für eine Frage, natürlich müssen sie das!!!
Mit meinem neuerlichen Kreuzen des Polarkreises beginnt sich neuerlich in meinem Geist etwas zu regen. Etwas Anderes. War ich nordwärts noch auf der Europastrasse unterwegs, so bin ich südwärts auf einer nächsten Ebene unterwegs. Die Fotografien sind gemacht, die Texte sind gebloggt. Die Ebene ist verlassen. Nun kreisen die Gedanken darum, wie meine Publikation aussehen wird. Vorige Ebene: Wie sieht unser Menschsein an der E75 aus? Diese Ebene: wie publiziere ich dieses Menschsein, wie transportiere ich es?
So kehre ich also in den Süden zurück, neugierig auf die schlaflosen Nächte, Nächte in denen ich mir die Dunkelheit ansehen werde. Der Polarkreis ist, während ich in seinem Norden war, um 92 Zentimeter weiter in eben diesen Norden gewandert. Womit meine Nächte noch länger geworden sein werden!
PS: Diese allerletzte Betrachtung dieses Eintrags habe ich bereits vor dem Polarkreis angestellt, der grammatikalischen Richtigkeit wegen.
PPS: Schließlich noch ein Blick auf mein GPS. Sonnenuntergang 1:02 Uhr; Sonnenaufgang 1:17 Uhr.
4 Comments
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das pisa foto ist genial – das sollte man unbedingt ans unterrichtsministerium schicken!!!
Dafür gebe ich es gerne frei.
Aber das ist doch eine Fotomontage ? Wo sollte es denn von der E75 eine beschilderte Abzweigung nach dem Pisa in der Toskana geben ? Oder gibt es da noch ein anderes Pisa irgendwo in Schweden oder Finnland ? Die Gefühlte Distanz zwischen der E75 und dem Pisa (IT) ist ungefähr genauso gross(*), wie zwischen dem Unterrichtsministerium und einer richtigen Interpretation der Pisa Testergebnisse österreichischer Schüler(*) in den Medien.
(*) bzgl orthografischer Richtigkeit: ich schreibe in e-medien gemäss schweizerdeutscher Rechtschreibreform (ohne scharfem ß, sz) und ohne GenderInnen Wahn.
Wenn auch sonst einiges rund um Pisa sehr eigenartig ist – Fotomontage ist das keine!
Der Hintergrund zu Pisa ist schnell erklärt: Der Mensch versucht zu objektivieren, so meint er seine Ängste besser im Griff zu haben – und aufeinmal taucht ganz woanders wieder ein Schild auf wo es gar nicht stehen dürfte. Pisa ist jedenfalls weit von der E75 entfernt.