Bewegung als Prinzip

Das E75 Projekt hat natürlich ein paar konzeptuelle Eckpunkte. Diese sind denkbar einfach. In einem Satz zusammengefasst: Ich möchte mehr über die Europastrasse an sich wissen, daher folge ich einer dieser Strassen von Anfang bis Ende, im Schnitt nicht ganz 100 km pro Tag. Fertig.

prinzipBewegung
Bewegen auf der Europastrasse

Ein so einfacher Ansatz erzeugt dann komplexe Zusammenhänge. Es macht etwas mit mir, ständig in Bewegung zu sein. Man sieht etwas. Wenn man es reflektiert ist man bereits woanders. Einfach gesagt, wenn ich hier in Ungarn noch Oliven esse, die ich eben erst in Griechenland gekauft habe, Dinar in meiner Geldtasche habe, statt Forint und bereits darüber nachdenke, ob die Slowakei Euro hat oder nicht, dann merkt man, man ist erbarmungslos in Bewegung.

Wie oft würde ich gerne in den Touristenmodus hinüberwechseln, irgendwo länger verweilen, mich von einer Muse kitzeln lassen (die in Griechenland zu Hause sind), doch das geht nicht. Dazu ist die Strasse nicht gebaut.

Im Gegenteil, sie wird immer mehr ausgebaut. Mit jeder Ausbaustufe verschwindet das Verweilen mehr. Das Motel war ein Ort, der noch dazu einlud, wenn auch nur für eine Nacht. Immerhin. Diese Veränderung bedeutet, dass der Weg auf der Europastrasse nicht mehr das Ziel ist. Der Weg ist nur mehr der Weg um woanders zu sein als man ist. So spüre ich es täglich in den Wochen die ich bereits unterwegs bin.

WIR als Gesellschaft haben mehr als 200 Europastrassen in die Welt gesetzt. Nehmen wir einmal an, jede wäre 4.000km lang. Aneinandergereiht ergibt sich daraus eine Länge von 400.000 Kilometer Europastrasse. Das sind knapp eine halbe Million Kilometer des Nichtverweilens. Das ist das 10fache unseres Erdumfanges – als Ort des Nichtverweilens. Die ganze Länge, deren Sinn es geworden ist, nur in Bewegung zu sein, nicht zu verweilen. Steckt darin eine Aussage über uns? Verweilen wir kurz um darüber nachzudenken.

1 Comment

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Agnes Hochgernerreply
Mai 12, 2016 at 1:58 pm

Hallo Otto, dein Gedanke „Bewegung als Prinzip“ hat mich noch beschäftigt (du bist natürlich längst woanders). Eigentlich hat dieses Prinzip begonnen, als wir in der Evolution Beine bekommen haben und uns damit fortbewegen konnten. Das war/ist überlebensnotwendig – wie hätten wir sonst Jagdbeute gemacht? Jetzt, auf der Europastraße ist das natürlich schon ziemlich entfremdet vom Ursprung. Wissen wir immer, warum wir und wohin wir unterwegs sind?
Und das Verweilen vergessen wir mitunter. Indem du dich der Bewegung verpflichtet hast – zumindest einmal bis Vardo (und wahrscheinlich auch wieder heimwärts) merkst du den Mangel an Verweilen besonders stark.
Eine interessante Erfahrung. Gute Reise weiterhin, liebe Grüße,
Agnes